Plötzlich Familie

Plötzlich Familie

Mit der Geburt eines Kindes wird nicht nur das Kind geboren, sondern auch die Eltern. Plötzlich bist du Mama, plötzlich bist du Papa.

So war es auch bei mir, bei uns und ich möchte dir heute von unseren ersten Tagen als „Plötzlich Familie“ erzählen.

Wieder Zuhause

Es ist die gleiche Wohnung, dieselbe Küche, dasselbe Badezimmer, mein Kleiderschrank, mein Bett, mein Sofa. Und doch ist es ganz anders. Als ich vor drei Tagen hier raus ging, war ich ich und mein Mann mein Mann. Jetzt sind wir Mama und Papa und unser Sohn. Er ist so klein. Und so süß. Mit ihm wirkt unsere Wohnung auf einmal völlig anders. Ich kann es gar nicht in Worte fassen – irgendwie unecht, es ist unwichtig, ob jedes Teil ordentlich an seinem Platz steht oder eben nicht. Wichtig ist er.

Da ist es mir auch fast egal, dass irgendwie die Küche nicht aufgeräumt ist, der Wäschekorb voll und die Wäsche nicht gewaschen ist und der Staubsauger anscheinend auch seit drei Tagen an seinem Platz ohne Einsatz steht – was hat mein Mann gemacht während ich im Krankenhaus war? Tatsächlich hat sich erholt. Ich habe ihn gefragt. Er hat sich sein Essen gemacht und auf die Couch gesetzt. Er ist jetzt Vater und hat Verantwortung für eine Familie. Für ein kleines Kind. Für sein kleines Kind. Die Zeit war auch für ihn sehr anstrengend und emotional. Tagsüber war er arbeiten, danach bei uns in der Klinik, da war er abends einfach erschöpft. Das verstehe ich.

Ich wollte schon immer jung Mutter werden und das habe ich jetzt geschafft. Ich bin noch keine 22 Jahre alt und habe gerade meinen Sohn nach Hause gebracht. Was für ein Gefühl! Noch ein Gefühl in dem aktuellen Gefühlschaos. Ich freue mich, zuhause zu sein und bin gespannt, wie die nächsten Tage werden. Bereit für alles was kommt, fühle ich mich auch – und hungrig. Hungrig bin ich sowieso deutlich mehr als sonst… vielleicht, weil ich stille?! Und auf meine eigene Dusche freue ich mich sehr, das warme Wasser, das saubere Bad und ein paar Minuten alleine in einem Raum.

Das klappt nur irgendwie nicht, denn kaum stehe ich unter dem warmen Wasser kommt mein Mann und ruft: „Der Kleine klingt komisch!“ Total nervös und hilflos hat er ihn im Arm. „Er gluckst. Das ist so süß oder?“ antworte ich ihm und bleibe unter dem warmen Wasser. Ja, der Kleine hat nur gegluckst. Ich kenne dieses Geräusch mittlerweile, denn ich habe seit seiner Geburt ja jede Minute mit ihm verbracht, mein Mann eben nicht. Er wird das in den nächsten Tagen auch alles miterleben und die Verbindung zu seinem Sohn besser aufbauen und stärken, als bisher im Krankenhaus.

Die neue Rolle als Mutter

Wenn ein Kind in eine Familie kommt, verändern sich die Rollen der Partner. Besonders deutlich ist die Veränderung meistens bei der Mutter zu erkennen. Sie versorgt und kümmert sich jetzt (fast) ausschließlich um das Neugeborene. Sie stillt oder füttert es, wickelt, badet, kuschelt, trägt es, zieht es um und redet über nichts anderes mehr. „Oh, guck doch mal wie süß die kleinen Füßchen sind!“ „Ach, das Baby weint. Ich bin schon da, mein Schatz.“ oder „Pssst, leise, er ist gerade eingeschlafen!“

Der Partner steht plötzlich an zweiter Stelle. Das gemeinsame Abendessen fällt aus oder verschiebt sich, wenn das Baby die Mama braucht, das Kuscheln auf dem Sofa beim Filmgucken ist nur noch Erinnerung, denn jetzt kuschelt die Mama mit dem Baby, morgens kümmert sie sich um das Baby, sie zieht es um, wickelt es und füttert es, der Mann darf alleine frühstücken, statt wie früher mit seiner Frau zusammen.

Für die Frau gibt es nach der Entbindung nichts wichtigeres als ihr Kind. Das ist einfach so. Bei mir war es auch so und ich habe das in jeder Zelle meines Körpers gespürt. Es war auf einmal eine ganz neue Energie da, ein Beschützerinstinkt den ich nicht kannte. Mit Adleraugen habe ich über mein Neugeborenes gewacht und hätte jeden „zur Strecke“ gebracht, der ihm Schaden wollte, dessen war ich mir sicher. Auch in seinem Weinen hörte ich Unterschiede, je nachdem, was er eben brauchte. Obwohl es „nur“ weinen war.

Und gleichzeitig war ich müde. Die Schwangerschaft, die Entbindung und die erste Zeit kosten Energie. Es ist für den weiblichen Körper eine Meisterleistung ein Kind auszutragen. Da sind die körperlichen Veränderungen während der Schwangerschaft, der Kraftakt während der Geburt, die Rückbildung anschließend und das Stillen.

Dazu kommen die Emotionen – und was für welche: Freude, Angst, Scham, Aufregung, Verwirrung, Dankbarkeit, Stolz, Ehrfurcht und manchmal sind sie alle gleichzeitig da. Da ist es kein Wunder, dass eine junge Mutter einfach mal so weint oder schimpft oder beides.

Und als drittes die Veränderung der Prioritäten. In der ersten Zeit gibt es nur eine: das Neugeborene. Der Haushalt, die Verwandten, Freunde, die Arbeit und sogar der Partner kommen erst danach. Und natürlich weiß die junge Mutter, dass diese das nicht möchten. Das setzt sie unter Druck, das sie ihre Liebsten ja nicht vor den Kopf stoßen möchte, sondern auch deren Wünsche erfüllen möchte, wie sie es ja vor der Mutterschaft auch getan hat.

Ja, die Rolle der Frau verändert sich.

Die neue Rolle als Vater

Daneben steht der Mann. Sehe ich noch heute (fast 15 Jahre später) bildlich vor mir: Mein Mann steht in unserem Flur und weiß gar nicht, was er tun soll oder wohin er gehen soll. Er hat mich unterstützt, während der Schwangerschaft, bei der Geburt und jetzt. Doch er merkt deutlich, dass ich nicht mehr nur noch ich bin, auf einmal bin ich ich-und-unser-Sohn. Wenn er mit mir spricht, halte ich unser Kind, wenn wir essen, schaue ich nach ihm, wenn wir schlafen liegt er bei mir. Für ihn ist es, als ob das Neugeborene den Platz „zwischen“ uns eingenommen hat. Er liebt unseren Sohn, keine Frage! Doch er weiß nicht so recht, was er tun soll. Ich als Mutter habe eine klare Aufgabe und eine extreme Bindung zu unserem Sohn. Ich kann ihn stillen, ihn beruhigen, ihn zum Schlafen bringen. Er kann ihn nicht stillen. Er hört auch keinen Unterschied, wenn der Kleine weint. Er erkennt nicht, was er gerade braucht oder ob die Geräusche, die er macht, normal sind.

Noch nicht. All dies – noch nicht.

Er hat ja auch eine andere Rolle als Vater, als ich als Mutter. Die Bindung von Mutter und Kind ist eine ganz andere, als die von Vater und Kind. Natürlich. Die Bindung zu seinem Sohn baut sich jetzt auf. Sie dürfen sich jetzt kennen lernen und mein Mann wird schnell wissen, was welches Weinen bedeutet und was der Kleine braucht. Das entwickelt sich jetzt und wird schneller gehen, als er am fünften Tag Vatersein denkt.

Was kann er also tun? Er kann für Mutter und Kind da sein. Dass er gekocht hat, die Wäsche gewaschen hat, einkaufen war, sauber gemacht hat und mit unseren Freunden telefoniert hat fand ich so wunderbar und war für mich sehr entlastend. Ich fand es so lieb, wenn er mir ein Glas Wasser gebracht hat oder mich zugedeckt hat, wenn ich mit unserem Kleinen auf dem Sofa eingeschlafen bin. Dass er morgens leise gefrühstückt hat, sodass ich noch schlafen konnte, besonders nach einer schlaflosen Nacht. Damit hat er mich sehr unterstützt, ich konnte mich erholen und mich auf unser Kind konzentrieren.

Er hat ihn natürlich auch gewickelt, ihn getragen und mit ihm gekuschelt. Er hat mit ihm gesprochen, lauter „Jungs- Kram“, und ihn liebevoll angeschaut. Die Zeit, die er aktiver mit ihm verbringen kann, kommt schneller als er denkt. Dann können sie Ball spielen, auf dem Spielplatz schaukeln und rutschen, Laufrad fahren, Fahrrad fahren, toben usw.

Und währenddessen mache ich wieder den Haushalt.

Wir sind Eltern

Es hat etwas gedauert, doch wir haben unsere Rollen als Eltern dann gefunden. Die erste Zeit, die ersten Monate waren besonders herausfordernd, danach wurde es ruhiger. Meine körperlichen Veränderungen waren dann nicht mehr so präsent, auch die Emotionen konnten sich wieder ordnen und wir fanden einen Alltag zu dritt. Natürlich hat mein Mann schnell eine liebevolle Bindung zu seinem Sohn aufgebaut und ihm viel Zeit und Nähe geschenkt. Wir haben auch über unsere neuen Aufgaben gesprochen, was wer gut kann, was wen stört, wer was tut. Das hilft natürlich, schafft Verständnis.

Die erste Zeit als Familie haben wir genossen, auch wenn sie sehr turbulent war. Sie ging so schnell vorbei.

Das ist meine Geschichte als mein Mann und ich „Plötzlich Familie“ wurden.

Wie war es bei dir? Hast du deine neue Rolle schnell gefunden oder war es eher chaotisch und hat eine Zeit gedauert? Schreib mir gerne, ich freue mich über deine Geschichte: hallo@arianes-fc.de

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