Vor genau einem Jahr…

Vor einem Jahr

… hatte ich meinen letzten Arbeitstag als Erzieherin, eine Arbeit, die ich wirklich sehr gerne gemacht habe. Doch manchmal gibt es Umstände, die einem einen neuen, einen anderen Weg aufzeigen.

Die ersten zwei Wochen nach der Kita

Es fiel mir nicht leicht, meinen Job zu beenden, doch aus mehreren Gründen hatte ich keine andere Wahl. Und auch wenn ich schon irgendwie darauf vorbereitet war, kam es dann sehr plötzlich und meine Zeit in der Kita war vorbei.

Auf der einen Seite war es erleichternd nicht mehr zur Arbeit gehen zu müssen und mich mehr auf meine eigenen Kinder zu konzentrieren, sie morgens mit mehr Ruhe und Zeit in den Tag zu begleiten, Mittags nicht gehetzt nach Hause zu kommen, sondern in Ruhe das Mittagessen zu kochen und mit meinen Gedanken nicht noch nebenbei bei der Arbeit zu sein. Auf der anderen Seite bin ich immer gerne arbeiten gegangen, habe die Zeit mit den Kindern genossen, mich auf sie gefreut, gerne mit ihnen gefrühstückt, gebastelt, gemalt, nach draußen gegangen, den Morgenkreis vorbereitet, gemeinsam Lieder gesungen und sie bei ihren Tätigkeiten und in ihrer Entwicklung begleitet.

Die zwei Wochen nach meinen letzten Arbeitstag waren für mich wie eine Berg- und Talfahrt.

Gerne hätte ich noch etwas länger Zeit gehabt, das Vergangene zu verarbeiten und mir zu überlegen, was ich als nächstes machen werde. Doch die Zeit hatte ich nicht, denn mein Mann hat mir direkt meinen neuen Weg gezeigt und mich liebevoll dorthin „geschubst“.

Der neue Weg ist schwer

Die entscheidendste Frage war nämlich die: „Wie kann ich Kindern und Eltern in ihrem Alltag helfen, wenn ich nicht als Erzieherin arbeite?“

„Was kann ich tun? Wo kann ich arbeiten? Welche Voraussetzungen brauche ich dafür? Werde ich das schaffen? Was ist mit meinen eigenen Kindern? Habe ich dann noch genug Zeit für sie?“

Schon immer fand ich es für mich sehr wichtig, anderen Menschen zu helfen, ihnen zuzuhören und Lösungen zu finden. Es tut mir gut, wenn Eltern erleichterter mit ihrem Kind umgehen können, weil sie sich etwas von der Seele reden konnten oder sie gehört haben, dass ihr Kind sich völlig altersgemäß verhält und sie sich keine Gedanken über die Entwicklung machen zu brauchen. Es ist toll zu sehen, wie sich ein Kind entwickelt vom Beginn der Kita-Zeit bis zum Schuleintritt und ich habe die Kinder immer sehr gerne begleitet. Wie könnte ich das weiter machen und trotzdem für meine eigenen Kinder da sein?

Mein Mann fand eine Lösung: Familiencoach. Davon hatte ich noch nicht gehört und habe es einfach gemacht. Wobei „einfach gemacht“ trifft es nicht richtig, „mich jeden Tag aufgerappelt“ passt da besser. Der Anfang war sehr schwer für mich, denn alles lief online über PC. Ich komme aus der Kita-Welt, mit realen Menschen, Schere, Kleber, Glitzer und ohne Computer. Diese Welt war für mich völlig neu. Ich kannte weder Online-Meetings noch Kalender am PC oder Dokumente, die ich mit anderen teilen – und zeitgleich bearbeiten konnte!

Plötzlich saß ich mit 90 anderen Frauen online in einer Runde zusammen und -zack- wurde ich mit drei von ihnen in einen separaten Raum geschickt – Brakeout Rooms genannt. Ja, heute weiß ich das, doch im Dezember letzten Jahres war das alles komplett neu für mich. Und sehr anstrengend. Viele Dinge habe ich neu lernen müssen. Immer mit meinem Mann als Hilfe, denn er kennt sich in der digitalen Welt sehr gut aus, er arbeitet dort seit Jahrzehnten und berät andere Leute, wie sie mit den digitalen Dingen umgehen sollen. Und ich war jetzt eine von ihnen, mit einem persönlichen Berater im Haus. Und, ganz ehrlich, er war schon leicht schockiert, wie wenig ich davon wusste und konnte.

Es war also eine herausfordernde Zeit, mit vielem neuen Input, den ich irgendwie verarbeiten musste.

Der neue Weg ist wunderbar

Fünf Tage die Woche seit Dezember habe ich mich aufgerafft und mich an den Computer gesetzt, mir den digitalen Kram angeschaut und gewisse Dinge immer wieder wiederholt, um sie zu festigen. Jede Woche saß ich an einem Abend in meiner Ausbildung zum Familiencoach mit vielen anderen Frauen online zusammen, hörte neue Dinge und meisterte die gestellten Aufgaben in den Brakeout Rooms. Zusätzlich traf ich mich einmal pro Woche mit einer festen Gruppe von fünf Frauen zum Lernen- auch online. Und ich lernte und übte die Inhalte meines Skripts, wobei auch da das meiste neu für mich war. Das war eine harte Zeit und ich fühlte mich oft so klein mit Hut (ich glaube, du siehst, wie „groß“ und „sicher“ ich hier zeige).

Doch im Februar kam die Wende. Auf einmal wurde alles leichter. Ich kannte mich aus mit den digitalen Besprechungsräumen, ich wusste, wie ich einen Besprechungslink erstelle, wie ich meinen Hintergrund verändere, wie ich meinen Bildschirm teile (sogar was „Fenster“ und „Bildschirm“ bedeutet), die Teilnahme an den Brakeout Rooms wurde leicht, sie hat sogar Spaß gemacht, ich konnte viel lernen und ab Februar sogar anderen etwas erklären. Das tat sehr gut. Das Aufraffen war zu Ende, ich ging leichtfüßig zum PC und wusste, wo ich klicken musste und was dann passierte, ohne „Schaaatz…“ rufen zu müssen, wenn es doch nicht so ging, wie ich dachte.

Und das allerbeste an dem neuen Weg waren die fantastischen Menschen, die ich treffen durfte. Die vier Mädels aus meiner Lerngruppe sind so wunderbar und ich möchte es auf keinen Fall verpasst haben, sie kennengelernt zu haben: Jessica, Delia, Wasiliki und Anna. Auch die beiden anderen Frauen aus der nächsten Gruppe (denn, ja, ich musste nach einer gewissen Zeit die regelmäßigen Treffen zum Lernen mit einer anderen Gruppe machen, was für mich ja wieder purer Stress war: wieder neue Leute, wieder neue Themen zum Üben, wieder etwas Neues…) möchte ich nicht mehr missen, denn sie sind genauso wunderbar: Katja und Dörte. Auch die große Runde mit über 90 Frauen ist so toll und die Brakeout Rooms machten richtig Spaß. Ja, Spaß – so sehr habe ich mich verändert, denn anfangs wäre ich am liebsten unsichtbar gewesen.

Mein neuer Weg und ich

Ich darf meinem Mann also ein ganz großes „DANKE“ sagen, denn ohne ihn hätte ich viel länger meine Zeit ohne irgendeine Tätigkeit verbracht. Ich hätte dem vorigen hinterhergetrauert, statt etwas Neues zu beginnen und lange über meine nächste Arbeit nachgedacht.

Und dieses Neue hat mich sehr stark und sicherer gemacht. Ich habe tolle neue Tools gelernt, wie ich Eltern helfen kann, sie unterstützen kann und habe diese vorher bei mir selber angewandt. Dadurch bin ich selbst zu mehr Ruhe und Gelassenheit gekommen, bin viel mehr in meiner eigenen Balance und persönlichen Kraft. Ohne meinen neuen Weg wäre ich dort wahrscheinlich nie hingekommen.

Und jetzt lerne ich eine ganz neue Welt kennen – die Welt des Coachings. Diese Welt finde ich superklasse, da fühle ich mich sehr wohl und bin sehr dankbar, dass ich ein Teil davon sein darf. Mit so tollen Menschen, die in dieselbe Richtung gehen wie ich, die mich auf meinen neuen Weg begleitet haben. Ich bin gespannt, wen ich noch treffen werde, denn es wird jedes Mal eine Bereicherung für mich sein.

Von „so klein mit Hut“ bis heute war ein harter Weg für mich mit vielen Hürden und Herausforderungen, doch ich kann dir sagen, er hat sich gelohnt. Mehrfach und mit Topper.

Manchmal ist es gut für uns, alte und bekannte Wege zu verlassen und mal zu schauen, was es daneben noch so gibt. Vielleicht ist es ein wunderbarer Weg der dich stärkt und mehr zu dir selbst bringt, mit wundervollen Menschen an deiner Seite. Noch immer bleibe ich lieber im Bekannten, das stimmt wohl, doch mein neues Bekanntes gefällt mir sehr gut. Und dabei ist mir etwas sehr wichtiges klar geworden: als Erzieherin konnte ich hauptsächlich die Kinder begleiten, sie bestärken, trösten und unterstützen, jetzt kann ich das für die gesamte Familie tun. Jetzt kann ich der gesamten Familie helfen, wenn sich einer unsicher ist oder Eltern vor einer Herausforderung stehen, die ihnen zu schwer wird. Blockaden erkennen und lösen, individuelle und adäquate Lösungen finden hilft nicht „nur“ dem Kind, sondern allen Familienmitgliedern. So kann ich viel mehr für das Kind, die Eltern und die Familie tun, als ich es als Erzieherin konnte. Und das fühlt sich sehr gut an.

Vielleicht kreuzen sich unsere Wege ja und dann freue mich, dich zu sehen.

1 Response

  1. Gisela sagt:

    Ich habe Deinen Beitrag mit großem Vergnügen gelesen.
    Und ja: Manchmal ist es gut für uns, alte und bekannte Wege zu verlassen und mal zu schauen, was es daneben noch so gibt

    Ich habe das auch schon so manches Mal getan . Zum Beispiel als ich im stolzen Alter von 51 Jahren meine Ausbildung zur Erzieherin begann. Damals vor 11 Jahren noch in Präsenz, aber auch das war eine Herausforderung.

    Und im Mai steht die nächste Herausforderung an. Davon erzähle ich Dir, wenn wir uns das nächste Mal sehen. Oder perInstagram oder mail oder Telefon …

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